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Hydra-Kinospot Bus

„Mit der 20.000 DM-Spende von Klaus Zapf wollten wir zunächst unsere neue Botschaft „Im öffentlichen Nahverkehr geht ohne Gummi gar nichts mehr“ publik machen. Damit sollte suggeriert werden, dass Prostituierte selbstverständlich Kondome benutzen und ein Gesundheitsbewusstsein haben und darum keine Risikogruppe bei der Übertragung des HI-Virus sind. Unsere Idee war, den BVG-Doppeldeckerbus Nummer 19, der vom Kudamm quer durch die Stadt bis nach Kreuzberg fuhr, mit einem Schlangenmuster zu dekorieren und quer über die Seitenfront diesen Spruch zu platzieren. Aber die BVG lehnte ab. Ein solcher Satz widersprach offensichtlich dem Anstandsgefühl der entscheidenden Leute. Daraufhin entwickelten wir unsere Ideen für die Kinospots, die 1988, gefördert vom Gesundheitssenat Berlin, in die Kinos kamen. Gebucht waren die Slots in den Werbeblöcken vor dem Hauptfilm für ein paar Monate, aber im Delphi-Kino liefen sie noch kostenlos über ein weiteres Jahr, weil sie beim Publikum so gut ankamen, denn das sang am Ende der Spots immer laut mit „Im öffentlichen Nahverkehr geht ohne Gummi gar nichts mehr“. Das war schon fast Kultstatus.

Kinospot mit Bus-Szene
Nach der Abfuhr durch die BVG war es geradezu zwingend, einen Spot im BVG-Bus zu drehen: Zu sehen ist ein voll besetzter Bus. An der Haltestelle steigen zwei Fahrscheinkontrolleure ein (gespielt von Arnulf Rating und Günter Thews der legendären Anarcho-Kabarett-Gruppe „Die 3 Tornados“), ein Schwarzfahrer hechtet im letzten Augenblick zum Ausgang. Während die Kontrolleure durch die Reihen gehen, werden sie immer fröhlicher und begeisterter, bis sie in der letzten Reihe ankommen und mit Blick zum Zuschauer fragen „Und Sie“ und beide ein goldenes Kondom hochhalten. Dann klatschen sie in die Hände und fordern alle Fahrgäste im Bus zum Chor auf: „Im öffentlichen Nahverkehr geht ohne Gummi gar nichts mehr“. Die Botschaft: Wer ein Kondom bei sich hat, macht alles richtig.
Bei diesen Spots war es uns wichtig, die Kondome aus der Schmuddelecke zu holen und sie mit Spaß zu assoziieren.
Die BVG war „absolutely not amused“. Kurz vor der Veröffentlichung drohte sie mit einer einstweiligen Verfügung wegen unserer verunglimpfenden Darstellung der BVG-Kontrolleure, und ihr Anwalt schlug vor, dass wir den Film neu drehten und die Kontrolleure andere z.B. karierte Anzüge trugen. Das lehnten wir ab, zum einen weil die Zeitfenster für die Spots im Kino gebucht waren und wir auch keine Zeit und kein Geld hatten, um alles neu zu drehen. Als letzten Kompromiss empfahlen sie uns, die BVG-Abzeichen auf den Uniformärmeln der Kontrolleure zu retouchieren. Wir erbaten Bedenkzeit. Die 3 Tornados waren begeistert und alte Hasen in solchen Rechtsstreitigkeiten, was die Kunst darf oder nicht darf. Auf jeden Fall würden unsere Kinospots schon vorab zu Ruhm kommen. Das hätte aber bedeutet, dass unsere Filme erst mal nicht ins Kino gekommen wären und ein längerer, arbeitsintensiver und vielleicht auch kostspieliger Zeitraum verstrichen wäre. Darum entschieden wir uns für die Retusche, und jetzt sieht man beim genauen Hinsehen in diesem Spot tanzende dunkle Vierecke auf den Ärmeln der Kontrolleure.
Natürlich haben wir diese Geschichten über den Streit mit der BVG wegen des Busses und der BVG-Kontrolleure brühwarm in der Pressekonferenz im Broadway-Kino vor der Vorführung unserer Spots erzählt, worüber auch berichtet wurde." - Erinnerungen eines Hydra-Mitglieds

Hier geht es zu den anderen beiden Spots:

► Kinospot "Litfaßsäule" basierend auf dem ersten Hydra-Plakat

► Kinospot "Spielcasino"