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Sexarbeit und Respekt

In meinem Leben habe ich schon Vieles versucht. Vom Bürojob bis über Reiterhof, KünstlerIn bis Küchenhilfe, da kam Einiges zusammen an Erfahrung im breiten Spektrum des ersten Arbeitsmarktes. Gerade als Mensch mit Behinderung hatte ich große Schwierigkeiten meinen Platz zu finden.

Selbstbestimmtes Arbeiten trotz Handicap hätte ich nie für möglich gehalten.
Meine Suche endete als ich Sexarbeitende geworden bin.
So vieles hat für mich in diesem Beruf gepasst.

Und trotzdem ist es ein Beruf, welcher in der Gesellschaft nicht anerkannt ist.
Alle Facetten der Sexarbeit, vom Strassenstrich bis Edel-Escort haben eine Gemeinsamkeit: Dich liebe*r Kund*in/Gäst*in/Freier.

Ich für meinen Teil finde meine Gäste respektvoll und charmant. Gäste, die sich mir gegenüber nicht angemessen verhalten, die bekommen keine zweite Möglichkeit dafür.

Und genau das ist ein Privileg.

Nicht jede*r in der Sexarbeit kann sich dieses Privileg erlauben.
Am Traurigsten ist jedoch, wenn der Kunde genau das weiß und mit seinem übergriffigen Verhalten fortfährt.

Respektlosigkeit beginnt übrigens nicht bei physischen Übergriffen bei einem Termin.
Es ist schon respektlos der sexarbeitenden Person ohne deren Zustimmung ein Penis-Bild zu schicken.
Und was haben diese beiden Situationen konkret miteinander zu tun? Nun, sie sind in Deutschland schlichtweg strafbar.

Die Annahme, strafbare Handlungen seien bei Sexarbeitenden lediglich eine Form der Respektlosigkeit, ist eine katastrophale Situation.

Noch katastrophaler ist es, dass viele, die solche Übergriffe ausführen tatsächlich denken -es ist ja "nur" 'ne Nutte.
Und zu sagen, dann sollen sich doch die Frauen dagegen wehren, wenn sie das nicht möchten, reicht nicht!
Der richtige Ansatz ist ein solches Verhalten generell zu tabuisieren.

Wie ich als Sexarbeitende Respekt definiere?
Ich möchte bei der Kontaktaufnahme, ob schriftlich oder telefonisch, begrüßt werden.
Mein Gast achtet auf Pünktlichkeit. Er erscheint gepflegt, in sauberer Kleidung und im besten Fall mit einem Lächeln im Gesicht.

Ihr seht, liebe Gäst*innen, Respekt ist das was ihr selber für euch jeden Tag da draußen von allen Anderen einfordert.

Vieles von dem was als Respektlosigkeit definiert wird, von Kund*innen als auch von Kolleg*innen, sind nicht selten tatsächlich übergriffliche und strafbare Handlungen.

Die Sexarbeit ist, auch durch die aktuelle Corona-Krise, in einer Revolution. Bewusstseinsbildung, Feminismus, Öffentlichkeitsarbeit, politische Arbeit, Kunst und noch viel mehr revolutioniert die Sexarbeit, weltweit. Du als Gäst*in kannst uns dabei unterstützen. Du kannst bei dir anfangen.

In diesem Beruf gibt es reichlich Brennpunkte, die müssen angegangen werden. Und das wollen wir auch!
Wir brauchen politische Anerkennung, Menschen die uns öffentlich politisch unterstützen. Wir brauchen Gelder um Beratungsstellen und Organisationen rund um Sexarbeit zu stärken und auszubauen. Das alles brauchen wir um den Sexarbeitenden juristisch und finanziell "Rückendeckung" zu geben.

Um das alles weiter voranzutreiben müssen wir darauf bestehen: Respekt ist kein Privileg. Respekt mir gegenüber sichert die Unantastbarkeit meiner Würde. Und die Unantastbarkeit der Würde sollte für jeden Sexarbeitenden selbstverständlich sein.

Sexarbeit ist Arbeit. Respekt!

► Text von: Lady Carmen