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Internationaler Tag gegen Gewalt an Sexarbeiter*innen

Der 17. Dezember ist der Tag, der begangen wird, um Gewalt an Sexarbeitenden zu beenden. Für viele von uns ist es ein Trauertag.

Es ist nicht leicht, über Gewalt zu sprechen. Es ist auch nicht leicht, zuzuhören, wenn es um Gewalt geht. Deshalb bitte ich dich herzlich, dir einen Tee zu machen, bevor du weiter liest, oder dein Lieblingstuch umzubinden, oder irgend etwas anderes zu machen, wirklich zu machen!, das dir gut tut.

Ich habe das auch gerade getan, mir was heißes gekocht und meinen Lieblingspulli angezogen. Bin jetzt ein bisschen beschützter, und krieg besser mit, wie es mir geht. Da ist viel Wut, und viel Traurigkeit.

Wut auf Ungerechtigkeit, auf Ausbeutung, auf mangelnden Respekt auf so vielen Ebenen, Wut auf gesellschaftliche Verhältnisse, die Gewalt produzieren. Traurigkeit, weil diese Welt eine so andere wäre, wenn Profi-Umgang mit Sexualität und körperlicher Intimität überall, auch ganz offiziell, gefeiert und gewertschätzt würde.

Traurigkeit, weil ich grad mal ein bisschen den herzzerreißenden Verlust spüren kann, den jeder einzelne gewaltsame Tod einer Sexarbeiterin, eines Sexarbeiters bewirkt.

Menschen, die geliebt wurden. Und nun schmerzlich vermisst. Die einen Hund, Lieblingsfarben, die gerade ein Paar neue Ohrringe geschenkt bekommen hatten. Töchter waren und Söhne und beste Freundinnen. Gerade verliebt oder so froh, ein geliehenes Buchzurück zu haben. Aus dem Alltag gerissen.

Viele von ihnen sind trans Frauen. Viele von ihnen erleben Rassismus. Viele sind arm.

Lasst uns an sie denken, ihnen Respekt zollen, ihnen eine gute Reise wünschen. Lasst uns trauern und weinen, lasst uns wütend sein. Nicht nur an diesem einen Tag im Jahr. Und auch an diesem.

Lasst uns nicht nur an die Toten denken, sondern auch an die trans Frauen in unseren Communities, die schwarzen Menschen in unseren Szenen, die Leute, die Rassismus erfahren in der Sexarbeit, auch von weißen Sexarbeitenden, die Kolleginnen, die unter schlechten Arbeitsbedingungen leiden. Die diese Morde und krasse persönliche Verluste verkraften müssen in dem Wissen, dass es sie viel wahrscheinlicher ebenfalls erwischen kann als Cis Kolleginnen. Oder weiße Kolleginnen. Oder reiche, gebildete Kolleginnen.

Und - es reicht nicht zu denken. Wirklich in Solidarität zu sein heißt, sich auf reale echte Beziehungen einzulassen. "Value the lives of the people who are living, then you’ll have less lives to value when they’re dead. Don’t wait until they die to do a December 17th—be a part of the process." ("Schätze das Leben der Menschen, die leben, dann hast du weniger Leben zum Schätzen, wenn sie tot sind. Warte nicht, bis sie sterben, um einen 17. Dezember zu erleben - sei Teil des Prozesses.", http://titsandsass.com/black-trans-sex-worker-leaders-reflect-on-december-17th/)

Wenn wir über Gewalt an Sexarbeitenden reden, meinen wir nicht nur Mord. Sondern auch scheinheilige Moral, und diskriminierende Gesetze, und Besserwisserei von Außenstehenden, z.B. Politikerinnen.

Psychische und physische Gewalt erleben manche von uns während der Arbeit, und das ist furchtbar. Strategien und Hilfsangebote sollten mit uns, von uns entwickelt werden. Diejenigen, die das selber erlebt haben, sollten diejenigen sein, die gut dafür bezahlt werden, Maßnahmen aller Art und auf allen Ebenen der Gesellschaft zu erarbeiten.

Zuhause, dort wo wir uns sicher fühlen wollen, psychische und physische Gewalt zu erleben wegen unseres Jobs, ist einfach unerträglich.

- Text von Alexa Müller, Verein Hydra e.V.

Dieses wunderschöne Video ist für alle, die mit Sexarbeitenden Liebesbeziehungen und Affären haben wollen – enjoy!